Nachhaltigkeit in der Fahrradbranche
Worauf du beim Kauf und der Pflege achten solltest.
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Lisa Augustin
Genussbikerin
Zuletzt geändert:09.10.25
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Nachhaltigkeit ist wie die Kette am Rad: Wenn sie nicht gepflegt wird, quietscht es irgendwann – und alle wundern sich, warum es nicht mehr läuft.
Alle reden von Nachhaltigkeit. Aber wie sieht’s eigentlich in der Fahrradbranche aus – und ganz konkret bei Little John Bikes? Spielt das Thema beim Kauf oder in der Beratung wirklich eine Rolle? Ich habe dazu mit Robert Peschke, dem CEO von Little John Bikes, gesprochen. Er lebt die Branche, kennt ihre Schattenseiten und sagt ganz offen, wie es ist.
Nachhaltigkeit im Service – mehr als nur sauberes Öl
Wer bei uns in den Laden kommt, sieht auf den ersten Blick Fahrräder, Zubehör und eine Werkstatt. Aber hinter den Kulissen passiert mehr:
„Wir setzen seit Jahren auf biologisch abbaubare Fahrradreiniger und Schmiermittel – sowohl im Verkauf als auch in der Werkstatt“, erzählt Robert.
Und noch wichtiger: Service selbst ist schon ein Beitrag zur Nachhaltigkeit. Mit über 100.000 Reparaturen und nochmal so vielen Inspektionen pro Jahr halten wir Räder länger am Leben. Jede verlängerte Lebensdauer spart wertvolle Ressourcen und ist gelebte Nachhaltigkeit.
Und wenn du mit dem Fahrrad anstatt mit dem Auto zum Service kommst und die Wartezeit mit einem kleinen Spaziergang oder nem kleinen Lunch vertreibst, sparst du auch noch CO².
Beim Kauf kaum Thema
Roberts ehrliche Antwort: „Nachhaltigkeit? Spielt beim Kauf so gut wie keine Rolle.“
Preis-Leistung dominiert. Nicht nur bei uns, sondern in der ganzen Branche. Viele Online-Shoppern ist es egal, dass ein Rad im Karton quer durch die Republik fährt, obwohl der Händler um die Ecke das gleiche Modell stehen hat.
Das zieht sich durch die gesamte Fahrradbranche: Auch wenn Hersteller ihre Produktionsprozesse umstellen, recycelte Materialien einsetzen oder klimafreundlicher produzieren. Beim Kunden kommt davon wenig an. Der Fokus liegt auf Preis, Ausstattung und Verfügbarkeit.
Ein Rad fünfmal quer durch Deutschland schicken, nur um 20 Euro zu sparen? Klingt wie ein ökologisches Fitnessprogramm für LKWs.
Der Fahrradmarkt selbst steht zusätzlich unter Druck: steigende Kosten, Verunsicherung bei Konsumenten, Überproduktion in manchen Segmenten. Nachhaltigkeit ist da für viele ein „nice to have“, aber kein Kaufargument.
Und selbst die Komponentenhersteller – ob Schaltung, Bremsen oder Laufräder – kämpfen mit denselben Herausforderungen. Auch sie bringen nachhaltigere Lösungen auf den Markt, doch solange die Nachfrage ausbleibt, bleibt es für viele eher eine Randnotiz.
Früher hab ich darüber auch nicht nachgedacht, woher etwas kommt. Mittlerweile bevorzuge ich lokale Marken. #supportyourlokals
Lisa
Unsichtbare Maßnahmen
Trotzdem passiert viel in der Fahrradindustrie – nur sieht es kaum jemand:
- recycelte Kartons im Versand
- keine aufwendigen gebrandeten Verpackungen
- Rücknahme gebrauchter Räder
- Einkauf bei zertifizierten Herstellern
Robert bringt es auf den Punkt: „Das ist ein klarer Beitrag zur Nachhaltigkeit – auch wenn Kunden diesen Schritt oft gar nicht wahrnehmen.“
Darüber hinaus steckt Nachhaltigkeit in vielen weiteren Bereichen, die für Kunden oft abstrakt klingen, für die Branche aber auch wichtig sind:
- Mobilität neu gedacht: Fahrräder sind per se Teil einer nachhaltigen Verkehrswende. Wer aufs Rad steigt, spart Emissionen und entlastet die Straßen – ein Hebel, der oft unterschätzt wird.
- Regulatorik & CSRD: Mit der EU-weiten Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) steigt der Druck auf Hersteller und Händler, ökologische Kennzahlen transparent zu machen. Das schafft mehr Klarheit, was wirklich nachhaltig produziert ist.
- Lieferketten & Produktion: Viele Hersteller optimieren ihre Lieferketten, um Transportwege zu verkürzen und dadurch Emissionen zu senken. Gleichzeitig wird in der Produktion verstärkt auf umweltfreundliche Verfahren gesetzt – weniger Chemikalien, weniger Energieverbrauch.
- ESG-Kriterien: Immer mehr Unternehmen richten sich an ESG-Standards (Environmental, Social, Governance) aus. Das bedeutet: Verantwortung nicht nur für Umwelt und Klima, sondern auch für faire Arbeitsbedingungen und transparente Unternehmensführung.
- Recycling & Kreislaufwirtschaft: Alte Fahrradteile, Schläuche oder Akkus landen nicht mehr automatisch im Müll. Recyclingprogramme und Second-Life-Initiativen verlängern die Nutzung und verringern die Umweltbelastung.
- Umweltbelastung sichtbar machen: Von der Verpackung bis zur Werkstattchemie – jeder kleine Schritt hilft, den ökologischen Fußabdruck zu verkleinern. Hier ist noch viel Luft nach oben, aber die Branche bewegt sich. Vielleicht sollten Unternehmen ihre nachhaltigen Ansätze sichtbarer machen. Ein kleines Schild am Karton, ein Hinweis an der Kasse – irgendwas, das zeigt: Hey, hier wird was Gutes getan. Es gibt eine Kreislaufwirtschaft und faire Produktionsprozesse.
Warum das Thema schwächelt
Die Gründe liegen außerhalb der Fahrradwelt: Inflation, Krieg, steigende Mieten, ein wackliges Sozialsystem – Nachhaltigkeit ist für viele gerade zweitrangig.
„Am ehesten steigt die Relevanz wieder, wenn Nachhaltigkeit und wettbewerbsfähige Preise zusammenkommen“, sagt Robert.
Chancen für die Zukunft
Eine Zauberformel gibt’s nicht – aber Ideen:
Ich würde sofort an einem Bonusprogramm mitmachen, wenn ich für alte Teile oder gebrauchte Räder Punkte bekäme. Das ist ein No-Brainer – gut für mich, gut fürs Rad, gut für die Umwelt.
Lisa
Marken, die es vormachen
Es gibt positive Beispiele: Waldbike aus Calw, VAUDE, Ortlieb, Schwalbe, Patagonia – alle setzen auf langlebige Produkte, Recycling, faire Arbeitsbedingungen und transparente Umweltinitiativen.
„Das Konzept von Waldbike finde ich zum Beispiel richtig spannend“, so Robert.
Nachhaltigkeit funktioniert nur, wenn Preis, Qualität und ein geringer ökologischer Fußabdruck zusammenpassen. Sonst bleibt sie ein Extra – aber kein Kaufargument.
Robert
Little Reminder: Zwischen Anspruch und Wirklichkeit
Nachhaltigkeit ist nicht tot – aber sie braucht neuen Schwung. Vieles läuft im Hintergrund, ohne dass Kunden es merken. Genau hier liegt die Chance: Wer Nachhaltigkeit sichtbar macht, gibt dem Thema wieder die Aufmerksamkeit, die es verdient.
Ich würde mir echt wünschen, dass ich beim Radkauf automatisch sehe, was daran nachhaltig ist – ohne lange suchen zu müssen. Das würde bewusstes Entscheiden so viel leichter machen.
Lisa
Mehr über die Autorin
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Lisa Augustin
Genussbikerin
Ich bin Lisa Augustin aus dem Schwabenländle, 31 Jahre jung, und ohne Kaffee läuft hier gar nichts. Früher Softwareentwicklerin, heute SEO-Expertin mit eigenem Fahrradblog (LisasBunteWelt). Ich fahre alles mit Pedalen – ob Rennrad, Gravelbike, Hardtail, Fully oder Indoor auf der smarten Rolle – einfach, weil es mir Spaß macht und ich beim Radfahren so viel von der Welt sehe. Bikepackingtrips und Fahrradurlaube gehören für mich genauso dazu wie kleine Feierabendrunden und Fahrten zur Eisdiele.